Unsichtbare Technik im Museum für abstrakte Kunst

Das Museum für Abstrakte Kunst in Wiesbaden, entworfen von den renommierten Architekten und Pritzker-Preisträger Fumihiko Maki, wurde von den privaten Investoren Reinhard Ernst und seiner Frau Sonja realisiert. Der Bau ist ein beeindruckendes architektonisches Werk mit einer Granitfassade aus Vermont und etwa 1.200 m2 großzügigen Glasfronten, die dem Gebäude Transparenz und Leichtigkeit verleihen. Zu den Besonderheiten des besonderen Bauwerks gehört eine Beschallungsanlage, die vollständig unsichtbar in Decken und Wände integriert ist.

Museum Reinhard Ernst
Das minimalistische Gebäude des Museum Reinhard Ernst besticht durch die unsichtbare Integration technischer Komponenten – entscheidende Voraussetzung dafür, das klare Erscheinungsbild des „Zuckerwürfels“ zu bewahren

Mit einer Gesamtfläche von ca. 9.700 m2, darunter bis zu 14 Meter hohe Ausstellungsräume und ­einer Ausstellungsfläche von etwa 2.500 m2, wurde das Gebäude von Ende 2019 bis zur Fertigstellung 2024 errichtet. Das Museum beherbergt über 960 Werke ab­strakter Kunst. Das größte einteilige Werk misst 1.260 × 230 cm, das schwerstes Werk wiegt circa 9.000 kg. Zentrales Ziel des Museums ist es, den Besuchern und ­Besucherinnen verständlich zu machen, was das „Abenteuer Abstrakte Kunst“ bedeutet und wie tief sich die Vorstellungen von Kunst und Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verändert haben.

Drei Weltpremieren

Das Museum beherbergt gleich drei Weltpremieren, die einen außergewöhnlichen Innovationsgrad in der bau­lichen Umsetzung repräsentieren:

Ein speziell geschliffener Akustikputz, dessen Oberfläche an Pergament erinnert, kleidet sämtliche Wände und ­Decken des Museums. Diese innovative Material schafft eine wohnliche Atmosphäre in den Ausstellungsräumen und ermöglicht gleichzeitig eine optimale Raumakustik.

Das Maki-Forum ist ein multifunktionaler Veranstaltungs­raum, der eine perfekte Sprach- und Tonübertragung ermöglicht. Durch die elektronische Verlängerung der Nachhallzeit kann der Raum auch für klassische Konzerte genutzt werden. Die Akustik kann entsprechend angepasst werden.

Eine Beschallungsanlage für die Evakuierung nach EN 54 wurde vollständig unsichtbar in Decken und Wände integriert. Im Maki-Forum, dem Herzstück des Museums, wur­de diese Technologie erstmals auf diese Weise realisiert.

Ein speziell geschliffener Akustikput
Ein speziell geschliffener Akustikputz, dessen Oberfläche an Pergament erinnert, kleidet sämtliche Wände und ­Decken des Museums

Unsichtbarkeit als große Herausforderung

Von Beginn an stand der Wunsch des Bauherrn und der Architekten im Mittelpunkt, alle technischen Komponenten des Museums vollständig unsichtbar zu integrieren, ohne das minimalistische Design zu beeinträchtigen. Die Umsetzung stieß auf zahlreiche Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die akustische Gestaltung und die Integration der Beschallungstechnik, und war nur durch die enge Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen Architekt Maki, dem Bauherrn und Sonus möglich.

Trotz skeptischer Haltung einiger am Bau beteiligten Unternehmen, die versuchten, die innovative Umsetzung zu verhindern, wurden besondere Aufgabenstellungen durch höchst innovative Produktentwicklungen und modernster Technik zu realisierbaren Lösungen geführt und im Projekt umgesetzt. Der Stand der Technik im Bereich bautechnischer Integration und Funktionalität von akus­tischen Systemlösungen und Beschallungstechnik konnte so in mehreren Bereichen neu definiert werden

Kreativität und Anwenderfreundlichkeit

Die vollständige, unsichtbare Integration aller technischen Komponenten erforderte ein hohes Maß an Kreativität und Präzision in Planung und Ausführung. Einige der für dieses Projekt entwickelten Produkte und Systemlösungen wurden speziell auf die einzigartigen Anforderungen des Museums zugeschnitten. Neue Technologien, wie unsichtbare Lautsprecher mit EN-54-Zulassung und Subwoofer-Arrays mit aktiver Körperschallunterdrückung, wurden entwickelt, um den akustisch schwierigen Raumverhältnissen gerecht zu werden.

Mit einem Fokus auf perfekte Verständlichkeit erreichen Sprachdurchsagen im Foyer und allen öffentlich zugänglichen Räumen einen STI-Wert von > 0,58, was exzellente Sprachverständlichkeit garantiert. Die unsichtbar integrierte Evakuierungsanlage sorgt dafür, dass im Notfall alle Anweisungen klar und deutlich verstanden werden.

Beispiele für einen öffentlich zugänglichen Räumen im Museum
Mit einem Fokus auf perfekte Verständlichkeit erreichen Sprachdurchsagen im ­Foyer und allen öffentlich zugänglichen Räumen einen STI-Wert von > 0,58

Das Museum Reinhard Ernst zeichnet sich darüber hinaus durch eine außergewöhnlich anwenderfreundliche Bedienung der technischen Systeme aus. Die integrierten Benutzeroberflächen sind so gestaltet, dass sie eine ein­fache und intuitive Steuerung aller Funktionen ermög­lichen, selbst für Personen ohne spezifisches Fachwissen. Das Systemdesign bietet eine hohe Fehlertoleranz, indem alle kritischen Systemzustände durch Maßnahmen in der digitalen Signalverarbeitung vermieden werden. Dies schafft einen sicheren Bedienkorridor, in dem Fehlbedienungen nahezu ausgeschlossen sind.

Die Bedienober­flächen sind so konzipiert, dass Standardanwendungen ohne die Notwendigkeit eines technischen Fachpersonals ausgeführt werden können. Für besonders kritische Funk­tionen ist der Zugriff limitiert, um den sicheren Betrieb zu gewährleisten und eine fehlerfreie Nutzung zu garantieren.

Nachhaltigkeit von Anfang an

Nachhaltigkeit war ein zentraler Aspekt sowohl bei der Planung wie auch der Umsetzung des Museums. Der eingesetzte Akustikputz ist ressourcenschonend und reparierbar, was die Langlebigkeit des Materials und die Minimierung von Abfall unterstützt. Diese Reparierbarkeit sorgt dafür, dass das Material über viele Jahre hinweg ohne Qualitätsverlust genutzt werden kann.

Darüber hinaus ist die digitale Signalverarbeitung so konzipiert, dass sie einen geringen Stromverbrauch aufweist, was zur hohen Energieeffizienz des gesamten Systems beiträgt. Die verwendeten Leistungsverstärker sind digital und verfügen über „Power Safe“-Funktionen, die den Energieverbrauch in Nicht-Betriebszeiten weiter reduzieren. Wesentliche Komponenten des technischen Systems sind zudem darauf ausgelegt, den Stromverbrauch zu minimieren und die Umweltbelastung so gering wie möglich zu halten.

Das Maki-Forum
Das Maki-Forum kann durch die elektronische Verlängerung der Nachhallzeit auch für klassische Konzerte genutzt werden

Die Beteiligten

Auftraggeber: Reinhard & Sonja Ernst Stiftung
Architekten: Maki Associates, Tokyo; Schneider Schu­macher Architekten, Frankfurt
TGA Planung: FC Ingenieure Eschborn
Tragwerksplanung & Bauphysik: Bollinger Grohmann
Ingenieure Frankfurt
Planung Raumakustik: Sonus GmbH
Planung Beschallungstechnik, SAA, Medientechnik:
Sonus GmbH
Lautsprecher Technik: Sonus GmbH, Baden-Baden
Systemintegration und Inbetriebnahme: Sonus GmbH

Material und Technik

Lautsprechertechnik: Sonus GmbH
Nachhallzeitverlängerungssystem: MBBM VIVACE 40
SAA Anlage: ASL
Signalbearbeitung, Control und AV-Netzwerk: BSS, Crown, Extron, ZeeVee, Netgear
Leistungsverstärker : Crown, Ecler
Mikrofontechnik: Shure, AKG

Quelle: COM! – Das Computer Magazin