Bei der Auswahl der AV-Infrastruktur stehen viele Anwender vor der Frage: HDBaseT oder SDVoE? Beide Standards bieten leistungsfähige Lösungen zur Übertragung hochauflösender Signale – doch welcher passt besser zu einem konkreten Unternehmen?
(Bild: Piotr Piatrouski / Shutterstock)
In der professionellen AV-Welt ist die Wahl der richtigen Übertragungstechnologie ein ganz entscheidender Aspekt. Besonders bei der Verteilung von hochauflösenden Videosignalen über größere Distanzen sind leistungsfähige Standards gefragt. Dass sie eine exzellente Bildqualität liefern, ist dabei die Grundanforderung. Darüber hinaus wird erwartet, dass sie auch Aspekte wie Latenz, Skalierbarkeit und Integrationsmöglichkeiten abdecken.
Zwei der führenden und gut etablierten Technologien für diese Anforderungen sind SDVoE und HDBaseT. Beide ermöglichen die Übertragung von hochauflösenden AVInhalten über große Strecken. Allerdings verfolgen sie unterschiedliche technische Ansätze und bieten jeweils spezifische Vorteile.
Während SDVoE auf leistungsfähige IP-Netzwerke setzt, nutzt HDBaseT eine bewährte Punkt-zu-Punkt-Verbindung mit speziellen Kabeln. Diese Unterschiede beeinflussen nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch die Anwendungsfälle und Kosten. Um zu verstehen, welcher Standard besser für eine Installation geeignet ist, lohnt es sich, die technischen Grundlagen, die jeweiligen Stärken und Schwächen sowie die praktischen Anwendungsmöglichkeiten zu betrachten.
HDBaseT – Übertragung mehrerer Signale
HDBaseT ist ein seit 2010 etablierter Übertragungsstandard für hochauflösende AV- und Steuerungssignale über Cat-Kabel. Im Vergleich zu HDMI, das ohne Signalverstärkung meist nur bis zu 12 Meter überträgt, überwindet HDBaseT Distanzen von bis zu 100 Metern bei unkomprimierter Signalqualität.
HDBaseT – das Kürzel steht für High-Definition BaseT – wurde ursprünglich vom Chiphersteller Valens entwickelt und 2010 von der HDBaseT Alliance, bestehend aus Valens, LG, Samsung und Sony, standardisiert. Ziel war es, eine Lösung für kosteneffiziente und qualitativ hochwertige AV-Übertragungen über große Entfernungen bereitzustellen. Heute zählt die HDBaseT Alliance über 200 Mitglieder, darunter zahlreiche Hersteller von zertifizierten HDBaseT-Geräten.

Ein wesentlicher Vorteil von HDBaseT ist die gleichzeitige Übertragung von fünf verschiedenen Signalarten über ein einziges Kabel – bekannt unter dem Begriff 5Play: Video bis zu 4K, Audio, Ethernet, Steuerungssignale und Stromversorgung.
Diese All-in-One-Lösung reduziert den Verkabelungsaufwand erheblich. „HDBaseT ermöglicht es Integratoren, eine Vielzahl von Kabeln durch ein einziges Kabel zu ersetzen“, betont Daniel Shwartzberg, Head of Education and Training bei der HDBaseT Alliance. „Durch den Wegfall spezieller Kabel werden Installationen vereinfacht und kostengünstiger – und es werden keine Encoder und Decoder benötigt.“

Ein weiterer Pluspunkt: Im Gegensatz zu vielen AVover- IP-Lösungen benötigt HDBaseT keine Komprimierung für die Übertragung von Audio- und Videodaten. Dadurch bleiben Bild- und Tonqualität verlustfrei, und die Übertragung erfolgt praktisch ohne Latenz. „Bei HDBaseT gibt es keine Komprimierung – was an einem Ende der Verbindung eingeht, kommt am anderen Ende exakt wieder heraus“, heißt es von der HDBaseT Alliance.

Wichtig zu wissen ist aber auch, was HDBaseT nicht ist: HDBaseT ist kein eigenständiger Videostandard wie HDMI, sondern ein Übertragungsprotokoll für AV- und Steuerungssignale über Cat-Kabel. Es wurde nicht als ein HDMI-Ersatz entwickelt, sondern als Lösung für längere Distanzen in professionellen Installationen. Im Gegensatz zu AV-over-IP ist HDBaseT auch kein paketbasierter Datenstrom. Es nutzt zwar die gleichen 8P8C-Steckverbinder wie Ethernet, überträgt jedoch Signale mittels PAM-16-Modulation anstelle von IP-Paketen.
Die direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindung von HDBaseT sorgt für eine stabile und zuverlässige Übertragung. Damit ist HDBaseT eine solide Wahl für Installationen, bei denen eine direkte Verbindung zwischen Quelle und Display erforderlich ist – etwa in Konferenzräumen, Bildungseinrichtungen oder Digital Signage. In größeren Installationen kommen häufig HDBaseT-Matrix-Switches zum Einsatz. Sie ermöglichen es, mehrere AV-Quellen auf mehrere Displays oder Projektoren zu schalten.
„HDBaseT ist eine bewährte, zuverlässige Technologie, die AV-Integratoren für zahlreiche kommerzielle Anwendungen nutzen können“, resümiert Daniel Shwartzberg. Auch Ariel Sobelman, Präsidentin der HDBaseT Alliance, hebt die Vielseitigkeit hervor: „HDBaseT kann sowohl in einem einzelnen Raum als auch in großflächigen Installationen, etwa auf einem ganzen Campus, eingesetzt werden.“
Hintergrund: Was ist 5Play?
„5Play“ ist ein Begriff aus dem HDBaseT-Standard und bezeichnet die fünf Hauptfunktionen, die über ein einziges CAT6/7-Kabel (Ethernet-Kabel) übertragen werden können. Diese Kombination macht HDBaseT besonders attraktiv für professionelle AV-Installationen, da nur ein einziges Kabel für alle fünf Funktionen benötigt wird. Diese fünf Funktionen sind:
• Video: Unkomprimierte Ultra-HD- und 4K-Videosignale
• Audio: Hochwertiges Mehrkanal-Audio
• Ethernet: Netzwerkverbindungen mit bis zu 100 Mbit/s
• Steuersignale: Steuerprotokolle wie RS-232, IR (Infrarot) und CEC
• Stromversorgung (Power over HDBaseT, PoH): Stromübertragung (bis zu 100 W), sodass Geräte keine separate Stromquelle benötigen.
SDVoE – Video per Ethernet
Während HDBaseT eine verbreitete Technologie für die AV-Übertragung über Kabel ist, zählt SDVoE zu den führenden Systemen für den AV-Transfer über IP-Netzwerke. SDVoE – kurz für Software Defined Video over Ethernet – wurde 2017 von der SDVoE Alliance ins Leben gerufen, zu deren Mitgliedern unter anderem Semtech, Aquantia, Christie Digital, Netgear, Sony und ZeeVee (Kramer) gehören.

SDVoE ersetzt traditionelle AV-Matrixsysteme durch eine netzwerkbasierte Architektur und nutzt standardisierte Ethernet-Netzwerke und den IEEE 802.3-Standard – typischerweise mit 10-Gigabit-Ethernet und Managed Switches. Im Gegensatz zu HDBaseT verwendet SDVoE eine vollständig netzwerkbasierte Architektur, die sich am gesamten 7-Schichten-OSI-Modell orientiert. „SDVoE ist die einzige echte Full-Stack-Lösung für AV-over-IP“, urteilt Justin Kennington, Präsident der SDVoE Alliance. „Andere AV-over-IP-Technologien unterstützen vielleicht einige OSI-Schichten, aber nur SDVoE deckt alle sieben Schichten vollständig ab.“
SDVoE setzt auf die strukturierte Verkabelung der physikalischen Schicht (TIA-568), die Ethernet-Datenverbindung, die TCP/IP- und IGMP-Netzwerkschicht sowie die TCP- und UDP-Transportschicht. Zudem umfasst SDVoE eine eigene Sitzungsverwaltung, eine Präsentationsschicht mit adaptiver Taktrückführung und eine API für die Anwendungsschicht. SDVoE unterstützt auch Funktionen wie Switching, Verteilung und Verarbeitung von AVSignalen innerhalb eines Netzwerks.
Eine ganz wichtige Eigenschaft von SDVoE ist die nahezu latenzfreie Signalübertragung mit visuell verlustfreier Kompression. Die geringe Latenz von unter 100 Mikrosekunden macht die Technologie ideal für Echtzeit-Anwendungen wie Live-Events oder Broadcast-Umgebungen. Die Technologie unterstützt 4K60-Video mit 4:4:4-Farbtiefe, wodurch eine exzellente Bildqualität gewährleistet wird.
Ein weiterer Pluspunkt: Dank der IP-basierten Architektur lässt sich SDVoE problemlos in bestehende IT-Infrastrukturen integrieren und bietet eine flexible, skalierbare AV-over-IP-Lösung. Besonders bei komplexen Installationen, bei denen eine zentrale Steuerung erforderlich ist, spielt SDVoE seine Stärken aus.
SDVoE versus HDBaseT: Wer punktet wo?
Vergleicht man beide Technologien systematisch, zeigen sich unter der Oberfläche deutliche Unterschiede, die damit auch die bestmöglichen Anwendungsmöglichkeiten definieren.
Ein wesentlicher Aspekt ist die Signalübertragung. HDBaseT überträgt unkomprimierte AV-Signale mit einer nahezu latenzfreien, festen Verzögerung. Das macht es ideal für Echtzeitanwendungen wie Videokonferenzen oder medizinische Bildgebung in kleineren Umgebungen.

SDVoE hingegen verwendet eine leichte, visuell verlustfreie Kompression, die durch moderne Algorithmen aber kaum wahrnehmbar ist. Dadurch können große Datenmengen effizient und weit transportiert werden – ohne spürbare Qualitätseinbußen. Besonders bei umfangreichen Installationen mit vielen parallelen Signalen spielt SDVoE mit der leichten Kompression und seiner IP-basierten Infrastruktur seine Stärken aus.

Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Standards liegt in ihrer Skalierbarkeit und Flexibilität. Weil SDVoE auf standardisierten IP-Netzwerken basiert, lassen sich beliebig viele Endpunkte integrieren, ohne dass eine feste Punkt-zu-Punkt-Verkabelung erforderlich ist. Das ermöglicht eine dynamische Verteilung von AV-Streams zwischen verschiedenen Quellen und Displays. Zudem erlaubt SDVoE eine zentrale Steuerung und Verarbeitung, etwa durch Skalierung, Wandlung oder Overlay-Effekte.
HDBaseT ist im Vergleich weniger flexibel und für feste Installationen konzipiert. Da es auf direkten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen basiert, ist eine nachträgliche Erweiterung oder Anpassung aufwendiger. Zwar bieten Matrix-Switches eine gewisse Flexibilität, doch sind sie in der Anzahl der Ein- und Ausgänge begrenzt und benötigen zusätzliche Hardware. Das kann die Komplexität und Kosten der Installation erhöhen.
Ein anschauliches Beispiel für die Unterschiede ist ein Kontrollraum in einem Fernsehsender. HDBaseT eignet sich gut, wenn feste Videoquellen immer an dieselben Monitore gesendet werden. SDVoE bietet hingegen den Vorteil, Live-Feeds flexibel umzuleiten, um plötzliche Änderungen in der Regie schnell zu bewältigen.
Kosten-Nutzen-Analyse
Ein weiterer Unterschiedsfaktor ist die Kabellänge und die Verkabelung. SDVoE verwendet standardisierte Ethernet-Kabeltypen wie CAT6a oder CAT7, mit denen Signale über Distanzen von bis zu 100 Metern übertragen werden können. Für größere Entfernungen können Netzwerk-Switches eingesetzt werden, um das Signal zu verstärken und weiterzuleiten. HDBaseT hingegen verwendet spezielle, HDBaseT-kompatible Kabel, die Entfernungen von bis zu 100 Metern abdecken.
In puncto Kosten kommt die Nutzung von HDBaseT häufig günstiger in der Anschaffung und Installation, da es keine komplexe Netzwerkinfrastruktur erfordert und die Verkabelung einfacher ist. Die speziellen HDBaseT-Kabel sind relativ günstig. Besonders bei kleineren Installationen, in denen eine direkte Verbindung zwischen Quelle und Display genügt, stellt HDBaseT die kosteneffizientere Lösung dar.
Bei größeren Installationen werden zusätzliche Geräte wie Matrix-Switches oder Extender benötigt, was die Kosten schnell steigen lässt. Hier kann SDVoE langfristig wirtschaftlicher sein. Zwar erfordert die SDVoE-Implementierung häufig eine höhere Anfangsinvestition, da leistungsfähige Netzwerkswitches und spezialisierte Hardware nötig sind. Doch die Vorteile, wie zentrale Steuerung und nahtlose Integration in bestehende IT-Infrastrukturen, können diese Mehrkosten rechtfertigen – insbesondere bei großen, komplexen AV-Installationen.
Hinzu kommt: Falls bereits ein Netzwerk vorhanden ist – wie das in vielen Unternehmen der Fall ist – sinken die Anschaffungskosten, da lediglich SDVoE-fähige Hardware benötigt wird. Eine Hotelkette, die in jedem Zimmer eine Digital-Signage-Lösung installieren möchte, wäre mit HDBaseT gut beraten, da die Verkabelung einmalig verlegt wird und dann unverändert bleibt. Ein Universitätscampus mit vielen flexibel nutzbaren Seminarräumen dagegen profitiert von SDVoE, da dieses einen dynamischen Wechsel zwischen verschiedenen Quellen und Zielen ermöglicht.
Was die AV-Community sagt
In der AV-Community wird die Debatte um HDBaseT und SDVoE durchaus kontrovers geführt. In einigen zentralen Punkten herrscht jedoch Einigkeit. Für kleine AV-Installationen gilt HDBaseT als bewährte und vorteilhafte Lösung. „Für die Punkt-zu-Punkt-Verteilung ist HDBaseT eindeutig besser“, meint etwa Paul Harris, CEO von Aurora Multimedia. Er begründet dies mit der Kosteneffizienz, dem niedrigen Energieverbrauch und der einfachen Verteilung der Technologie. Auch Robert D’Addario, Präsident der Cleerline Technology Group, stimmt dem zu: „HDBaseT ist ein großartiges Werkzeug in der Werkzeugkiste eines Installateurs, das er mit der bestehenden Infrastruktur verwenden kann.“
Daniel Shwartzberg hebt die Anzahl der verfügbaren HDBaseT-Optionen als einen großen Vorteil der Technologie hervor: „Es gibt so viele Hersteller, die kompatible HDBaseT- Produkte anbieten, dass Installateure die Wahl haben“, sagt er. Allerdings sind der Kompatibilität in der Praxis Schranken gesetzt. Gary Kayye, Gründer von rAVe Publications, weist darauf hin, dass die Kompatibilität zwischen verschiedenen Herstellern nicht immer gegeben ist. „In einigen Fällen führt der Anschluss von Produkten der Marke A an Produkte der Marke B zu einer Beeinträchtigung des einen oder anderen Produkts. In einigen Fällen sind sogar Projektoren zerstört worden.“

HDBaseT-Kritiker bemängeln auch, dass proprietäre AV-Switches wie HDBaseT langfristig nicht mit der Innovationsgeschwindigkeit standardisierter Ethernet-Technologien mithalten können. „Die Tage der kundenspezifischen AV-Switches wie HDBaseT sind gezählt, da die für ihre Entwicklung erforderlichen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen immens sind und nicht mit der weltweiten Forschung und Entwicklung bei standardisierten Ethernet-Switches mithalten können“, prognostiziert zum Beispiel Kamran Ahmed, CEO und Mitgründer von Apto-Vision.
Für viele Unternehmensführer hat AV over IP die Branche für immer verändert. Als relativer Neuling ist SDVoE zwar noch nicht so weit verbreitet wie HDBaseT, aber „es ist eine sehr gute Fortsetzung der gleichen Anwendungsarten, die Sie für HDBaseT verwenden würden“, erklärt Paul Zielie, Manager für Unternehmenslösungen bei Harman Professional.
Als definierte Technologie biete SDVoE „die Vorteile einer IP-Infrastruktur selbst“, erklärt Justin Kennington, Präsident der SDVoE Alliance. Tatsächlich, so Kennington weiter, seien solche Systeme viel flexibler und skalierbarer, „da sie mit der Zeit mit den Geschäftsanforderungen wachsen können. Sie haben nur ein Netzwerk, eine Infrastruktur, die Sie entwerfen und bereitstellen sowie warten und verwalten müssen.“
Da immer mehr Designer und Integratoren den offenen und standardisierten Ansatz von SDVoE übernehmen, werden Matrix-Switches und proprietäre AV-over-IP-Lösungen veraltet und unüblich. Dies ist einer der Gründe, warum Bob Michaels, CEO von ZeeVee, sich seinerzeit bewusst gegen HDBaseT entschieden hatte. Er sah HDBaseT als eine proprietäre Technologie, die möglicherweise bald irrelevant sein würde.
BrightSign-CEO Jeff Hastings stimmt dieser Erwartung zu. Er sagt voraus, dass sich die Welt von „einer separaten Punkt-zu-Punkt-Netzwerklösung (HDBaseT) zu einer einheitlicheren Netzwerklösung entwickelt, die Standard- Netzwerktechnologien verwendet.“
HDBaseT auf IP-Basis
Zwischen HDBaseT und SDVoE erfolgt mittlerweile so etwas wie eine Annäherung. „Es gibt inzwischen Varianten von HDBaseT, die sehr ähnlich wie SDVoE funktionieren“, berichtet Harmann-Manager Paul Zielie. Tatsächlich können Integratoren, die bisher den HDBaseT-Standard verwendet haben, dies auch weiter machen, während sie eine AV-over-IP-Lösung einsetzen. Im Jahr 2017 veröffentlichte die HDBaseT Alliance eine neue HDBaseT-over-IP-Infrastruktur – allgemein als HDBaseT-IP bezeichnet.
HDBaseT-IP ist eine Erweiterung des ursprünglichen HDBaseT- Standards, und bietet die Möglichkeit, 5Play-AV-Signale über AV-over-IP zu verteilen. Damit kann HDBaseT-IP größere Entfernungen überbrücken als herkömmliches HDBaseT. „HDBaseT over IP bringt eine noch nie dagewesene Modularität und Bandbreite zu den heute verfügbaren HDBaseT-Lösungen“, betont Micha Riesling, Vorsitzender des Marketingausschusses der HDBaseT Alliance. Anstatt ihre gesamte AV-Installation auf SDVoE oder einen anderen Standard umstellen zu müssen, könnten Integratoren und Designer ihre traditionelle HDBaseT-Installation mit einer effektiven AV-over-IP-Lösung kombinieren.
Aber nicht jeder ist so optimistisch, was die neue Lösung angeht. Gary Kayye befürchtet, dass HDBaseT-IP von denselben Problemen geplagt wird wie HDBaseT, einschließlich der Interoperabilität. Jason Knott von CEPro bezeichnet HDBaseT-IP vs. SDVoE als den nächsten Kampf um das Wohnzimmer, wobei beide darum wetteifern, der Standard für AV over IP zu werden. Welches System am Ende die Nase vorn haben wird, ist noch nicht klar.
Für Integratoren, die im Moment neue AV-Lösungen entwickeln wollen, ist diese Lage unbefriedigend. Die meisten werden nicht abwarten können, welcher Standard sich durchsetzt. Letztlich sind beide Standards sehr gut darin, verlustfreies Video zu liefern, meint Paul Zielie. Viele Experten warnen davor, einfach auf den Standard zu setzen, von dem man glaubt, dass er sich am Ende gewinnen werde. Stattdessen empfehlen sie, die Architektur zu verwenden, die es ermöglicht, die Ergebnisse zu liefern, die das Unternehmen heute und morgen benötigt.
Was heißt das nun konkret für die Praxis?
Hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Analyse ist HDBaseT in kleineren Installationen im Allgemeinen kosteneffizienter ist, da keine teure 10G-Netzwerkinfrastruktur erforderlich ist. Entsprechend wird HDBaseT häufig dort eingesetzt, wo eine einfache, stabile Punkt-zu-Punkt-Verbindung gewünscht ist. Typischerweise sind das Haushalte, Firmenbüros, Einkaufszentren, Flughäfen und Universitäten – insbesondere Konferenzräume und Klassenzimmer. Heimkino-Installationen etwa profitieren von der hohen Bildqualität, ohne dass zusätzliche Netzwerkkomponenten erforderlich sind.
Auch im Digital-Signage-Bereich spielt HDBaseT seine Stärken aus. HDBaseT ist in diesem Bereich besonders nützlich, da es hochauflösende Videosignale über große Entfernungen stabil übertragen kann – oft zuverlässiger als bei IP-basierten Lösungen, die komplexe Netzwerkkonfigurationen erfordern.

Das prototypische Beispiel für eine HDBaseT-Installation ist der Konferenzraum in einem Unternehmen. Ein HDMI-Signal von einem Laptop oder einer Mediensteuerung wird über HDBaseT zu einem Projektor oder Display übertragen, während gleichzeitig Steuer- und Netzwerksignale auf demselben Kabel laufen. Das macht HDBaseT zu einer bequemen Lösung für Einzelrauminstallationen, bei denen die Komponenten nah beieinander liegen.
SDVoE hingegen ist gut geeignet für komplexe AVover-IP-Lösungen, die eine hohe Skalierbarkeit erfordern. Es spielt seine Stärken besonders in großen Unternehmensnetzwerken aus, da es sich flexibel in bestehende IT-Strukturen einbinden lässt. Es ist ideal für Multizonen-Installationen, da es Möglichkeiten zum flexiblen Routing zwischen mehreren Quellen und Displays bietet. Besonders bei Live-Events und in Broadcast-Umgebungen spielt SDVoE seine Stärken aus, da es eine nahezu latenzfreie Übertragung bei höchster Bildqualität ermöglicht. Ein weiteres Beispiel ist eine große Messehalle mit mehreren Displays und Zuspielquellen. Da SDVoE ein flexibles Routing bietet, können Inhalte dynamisch an verschiedene Displays verteilt werden, ohne dass physische Neuverkabelungen erforderlich sind. Dies ermöglicht eine enorme Flexibilität und Anpassbarkeit an sich verändernde Szenarien.

Fazit & Ausblick
HDBaseT wird voraussichtlich weiterhin die bevorzugte Lösung für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und den direkten Anschluss von Geräten bleiben, vor allem aufgrund seiner Robustheit und der Fähigkeit, mehrere Signale über ein einziges Kabel zu übertragen. Zudem wird sich HDBaseT weiterentwickeln. Es zeichnet sich eine zunehmende Unterstützung für höhere Auflösungen wie 8K ab, was die Technologie für anspruchsvollere Anwendungen, etwa in der Pro AV-Branche und bei Großbildprojektionen, attraktiv macht.
Darüber hinaus könnte HDBaseT verstärkt auf IP-basierte Infrastrukturen setzen, um den Anforderungen von vernetzten AV-Systemen gerecht zu werden. Diese Erweiterung in Richtung HDBaseT-IP könnte den Standard in größeren Netzwerken und bei komplexeren Installationen weiter etablieren.
SDVoE hingegen wird aufgrund seiner Skalierbarkeit und Flexibilität bei der Bereitstellung von AV-Inhalten über IP-Netzwerke immer wichtiger werden. Die Weiterentwicklung von SDVoE könnte sich stark in Richtung 8K-Unterstützung und einer höheren Bildwiederholrate orientieren. Dies wäre besonders für professionelle Anwendungen wie Broadcasting und Live-Events von Bedeutung, bei denen extrem hohe Auflösungen und flüssige Bewegungsdarstellung erforderlich sind. Zudem könnte SDVoE weiter in die Cloud integriert werden, was eine zentrale Steuerung und Überwachung von AV-Systemen ermöglicht.
Beide Standards werden ihren Platz in der Industrie behalten, wobei der Trend in Richtung mehr Vernetzung, Cloud-Integration und höherer Auflösungen geht.